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11.07.2024

«Dank» Klimawandel möglich - lernen von trockenen Regionen

Hier bei einer seiner Immobilien in Schaffhausen hat Walter Koch rund 40 Feigenbäumchen unterschiedlicher Arten gepflanzt. Er ist gespannt, wie sich diese entwickeln und der Ertrag aussehen wird.
Hier bei einer seiner Immobilien in Schaffhausen hat Walter Koch rund 40 Feigenbäumchen unterschiedlicher Arten gepflanzt. Er ist gespannt, wie sich diese entwickeln und der Ertrag aussehen wird. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
Bei einer Auslandsreise durch sehr trockene Regionen haben es ihm die resistenten Feigenbäume angetan. Bereits seit einiger Zeit beschäftigt sich Walter Koch mit dem Thema rund um diese Pflanzen. Sein Wissen teilt er gerne mit Interessierten und hofft auf eine vermehrte Nutzung in der Landwirtschaft, bei Weinbauern und im urbanen Raum.

«Als ich einst in Jordanien und in Israel unterwegs war, haben mich gerade die Feigenbäume fasziniert. Sie schaffen es, unter widrigsten Bedingungen zu gedeihen», erzählt der 63-jährige Agronom Walter Koch beeindruckt. Am Ufer des Zürichsees seien Wurzeln eines 300 Meter entfernten Feigenbaums entdeckt worden – möglich sind aber auch Distanzen von bis zu einem Kilometer. «Es ist unglaublich, diese Wunderpflanzen finden immer einen Weg zum Wasser und können gar aus kleinsten Ritzen an einer Wand herauswachsen.» Die Wurzeln eines Feigenbaums reichen teilweise bis 100 Meter in die Tiefe. Damit seien sie gegen Trockenheit gewappnet.

Feigen für Bio-Weinbauer:innen

Im Klettgau und insbesondere in Hallau habe es unterdessen zu viele Reben, deshalb würden sich die Winzer vermehrt Alternativen überlegen, so der gelernte Gemüsebauer Walter Koch: «Wenn auf Bio gewechselt wird, braucht es Ausgleichsflächen. Und da kommen die Feigenbäumchen ins Spiel.» Sein Freund und Winzer Andreas Neukomm besitzt in Hallau 18 Hektar Reben. Um für Biodiversität zu sorgen, hat er ebenfalls Feigen angepflanzt. Für beide ist dies wie ein kleines Laboratorium. «Die ersten Jungpflanzen habe ich aus dem Weinland bezogen. Unterdessen mache ich auch selbst Stecklinge und besitze 30 unterschiedliche Sorten zu Hause», sagt Walter Koch stolz. Er sei weiterhin am Tüfteln und Herausfinden, welche Sorten sich in unserer Region vor allem für den Frischkonsum eignen.

Feigenhöfe noch in der Unterzahl

Bis jetzt gebe es in der Schweiz nur einen Bauer, welcher grossflächig Feigen anpflanzt, und der sei in der Innerschweiz beheimatet. Das Potenzial zwischen Rebbergen, bei Gemüsebauern, in der übrigen Landwirtschaft oder auf Grundstücken von Unternehmen und Privaten sei enorm. «Feigenbäume geben ein schöneres Bild ab als brachliegende Rasenflächen.» In Zukunft nehme er weitere noch für unsere Breitengrade untypische Pflanzen ins Angebot auf. So könne er sich auch vermehrt Kaki-, Mandel- und Olivenbäume bei Bauern sowie im urbanen Raum vorstellen. Damit es sich für Interessierte auch finanziell lohnt, empfiehlt der Agronom 20 bis 30 Feigenpflanzen auf einem Stück Land von mindestens 200 Quadratmetern. Der Flächenbedarf einer Pflanze beträgt sechs bis neun Quadratmeter. «Der Naturpark Schaffhausen hat mich angefragt, ob wir unsere Frischfeigen mit ihrem Label versehen möchten. Die Idee an sich ist gut und ehrt uns. Die bürokratischen Hürden halten uns aber davon ab», bedauert Walter Koch. Auch für übrige Labels sei die Bürokratie in der Schweizer Bauernbranche definitiv zu hoch. Deshalb wolle er es so einfach wie möglich halten und freue sich, wenn seine Idee von regional angebauten Feigen im Dreieck Schaffhausen-Frauenfeld-Winterthur auf Interesse stosse. Er besuche sehr gerne Bauernhöfe wie auch Privatpersonen, um die Möglichkeiten zu besprechen und Empfehlungen abzugeben. «Auch wenn meine Feigen nicht mit einem Etikett versehen sind, wollen wir auf synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichten», hält der Agronom und studierte Gartenbauingenieur fest.

«Das Klima verändert sich auch bei uns. Weinstöcke, Oliven- und Feigenbäume würden zum Leben reichen.»
Walter Koch, Agronom und Feigen-Fan

Er selbst sei mit Gastronomen und dem Volg im Gespräch, um angehenden Feigenbauern den Verkauf ihrer Ware zu erleichtern. «Die Schweiz ist weder die grösste Feigenproduzentin Europas, noch wird sie das in näherer Zukunft sein.» In den südlicheren Gefilden übernehme die Sonne den Trocknungsprozess, was sehr preisgünstig sei. Auch sei es auf unseren Breitengraden nicht selbstverständlich, dass die Pflanzen jährlich zwei Ernten abwerfen. In der Schweiz sollen die frisch geernteten regionalen Früchte in den Regalen liegen und in Restaurants für salzige und süsse Verführungen eingesetzt werden. Dennoch müsse sich die Gesellschaft mit den Veränderungen auseinandersetzen, so der studierte Gartenbauingenieur: «Das Klima verändert sich auch bei uns. Weinstöcke, Oliven- und Feigenbäume würden zum Leben reichen.»

Südländisches Feeling im urbanen Raum

«Bereits als Kind mochte ich die Pflanzen lieber als die Tiere auf dem Hof», erinnert sich Walter Koch zurück. Seit 20 Jahren besitzt er in Schaffhausen Immobilien. Jetzt habe er sich dazu entschieden, die von den Mietern unbenutzten Rasenflächen mit Feigenbäumen zu bestücken. Dafür habe er die noch kleinen Pflänzchen für einen guten Bodenschluss intensiv gewässert. Gegen Unkraut habe er Holzschnitze um die Feigenbäumchen gelegt und für eine gute Bewurzelung Gibberellinsäure verwendet. «Hier sieht man bereits die ersten Feigen», sagt der Agronom freudig während eines Rundgangs im Garten einer seiner Immobilien. Wenn es nicht gerade drei Monate lang regenfrei bleibe, werde er nie mehr giessen. Damit Feigen gut gedeihen, benötigen sie einfach einen Platz zwischen zwei Gebäuden mit wenig Durchzug. «Manche Bekannten sagen bereits, dass ich nur noch Augen für Feigen habe.» Ganz so sei es dann doch nicht, aber es sei dienlich, wenn man sich gut damit auskenne. Alleine die Struktur und Farben der Früchte faszinieren ihn. Da gebe es auch schwarze oder gestreifte Sorten.
Spätestens ab September sei die Website feigenblatt.online erreichbar. Darauf fänden Kund:innen und Anbauer:innen diverse Infos und können selbst gelistet werden.

Sandro Zoller, Schaffhausen24